Gefühle verstehen und zulassen

22. Aug 2020 | Mein Blog für Merle

Gefühle – Heimweh und gute Geschichten

Liebe Merle,

nach eurem Urlaub hast du entschieden, noch einige Tage bei uns in Aachen zu bleiben. Wir haben uns gefreut wie „Bolle“. Dein Heimweh-Gefühl war leider der Grund, weshalb du schon lange nicht mehr bei uns übernachtet hast.

Der erste Abend verlief super. Zwar hast du beim Abendessen ein Bild von dir und deinem Bruder Paul gesehen, dieses aber mit dem Kommentar „ich vermisse den Paul schon ein wenig“, abgetan. Danach legten wir dir eine dicke Matratze neben uns ins große Schlafzimmer, erzählten schöne Geschichten, lachten viel und da es ein ereignisreicher Tag war, schliefst du sofort ein.

Gute und schlechte Geschichten

Am nächsten Tag gingen wir ins Schwimmbad, kauften ein, badeten und schauten fern zusammen und abends im Bett wollte ich dir eine Geschichte aus einem sehr alten Buch, dass deinem Papa schon gehörte, erzählen. „In dem Buch gibt es keine guten Geschichten“, war dein erster Kommentar. Ich ignorierte es und schon nach den ersten Sätzen hörtest du aufmerksam zu. Nach zwei weiteren Geschichten kuschelten wir uns auf deiner Matratze zusammen und ich hörte ebenfalls aufmerksam zu, als du mir deine Geschichten von Monstern in deinen Träumen erzähltest und dass du Angst vor ihnen hast. Und dann machte ich als Oma den größten Fehler meines Lebens. Dein Einhorn-Kuscheltier lag neben dir. Ich nahm es und sagte: „Mein kleiner Schatz, du musst keine Angst haben, es gibt keine Monster, genauso wie es keine Einhörner gibt“. Und das war gar nicht gut. Nach der guten Geschichte folgte die schlechte Geschichte. Du wurdest traurig und sagtest „der Papa lügt, der hat gesagt, es gibt Einhörner“ und dann nochmal „der Papa lügt“ und dann liefen dir die Tränen die Wangen herunter und es folgte „ich vermisse den Papa, ich will nach Hause“ und so weiter und so weiter…..

Heimweh

Da war es wieder. Dein Heimweh-Gefühl, verbunden mit Traurigkeit. Ich versuchte dich natürlich schnell wieder zu beruhigen und sagte, „Na ja, vielleicht glaubt dein Papa ja an Einhörner. Ich glaube nicht an Einhörner, weil ich noch nie eins in echt gesehen habe und deshalb habe ich das gerade zur dir gesagt. Dein Papa ist kein Lügner!“  Ich versuchte noch zu retten, was zu retten war und versicherte dir, dass wir dich am nächsten Morgen nach Hause bringen.

Gefühle kommen und gehen

Am nächsten Morgen warst du wieder glücklich und ich sprach mit dir nochmal über den Abend und deine Traurigkeit. Ich erklärte dir, dass Gefühle, wie z.B. die Traurigkeit kommen und gehen und erzählte dir nochmal die Geschichte der kleinen Riley aus dem Film „Alles steht Kopf“.  Da du den Film kennst war dir sofort klar, was ich meinte und sagtest: „Ja, es stimmt, heute bin ich nicht mehr traurig und bei Riley war es ja so, dass der Kummer zur Freude gehörte und Oma, es ist ja ganz einfach, ich weiß ja jetzt, dass das Gefühl wieder weg geht. Ich bleibe jetzt doch noch bei euch!“ Das war dann wieder eine gute Geschichte.Gefühle

Uns so hatten wir noch einen tollen Tag und eine ruhige Nacht zusammen und am nächsten Tag, nach insgesamt drei Nächten, fuhren wir dich wieder Richtung Heimat.

Warum schreibe ich dir diese Geschichte nochmal hier in diesen Blog?

Ich bin genauso sensibel wie du und weiß, dass Gefühle einem das Leben ganz schön schwer machen können. Als ich erwachsen wurde, habe ich Gefühle wie Angst, Traurigkeit, Wut und Scham verdrängt. Sie waren noch da, aber ich wollte sie vergessen. Heute weiß ich, dass es falsch war und ich hoffe und wünsche dir, dass du deine Gefühle nicht verdrängen wirst. Ich bin überglücklich, dass du mit deinen nur 6 Jahren verstanden hast, dass Gefühle kommen und gehen.

Gefühle zulassen

Du bist ein sehr sensibles, intelligentes und aufmerksames kleines Mädchen. Du weißt jetzt, dass Heimweh kommt und wieder geht und das, mein kleiner Schatz, ist sehr wichtig für deine Zukunft. Lass‘ deine Gefühle zu, die positiven sowieso aber auch die negativen, denn sie gehören dazu. So wie bei Riley, die Kummer hatte und durch den Trost ihrer Eltern auch wieder Freude erlebte. Das ist eine wirklich gute Geschichte.

Ich hab‘ dich lieb.

Deine Oma

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